Wirtschaftsstrafrecht - Ermittlungen gegen Unternehmen - Geschäftsmann im Anzug - Liebscher Strafrecht

Ermittlungen gegen Unternehmen

Strafverfahren stellen nicht nur für Privatpersonen, sondern auch für Unternehmen eine Ausnahmesituation dar, auf die sie regelmäßig nicht vorbereitet sind. Umso wichtiger ist es, die wichtigsten Rahmenbedingungen des Strafrechts sowie grundlegende Rechte und Pflichten zu kennen.

Geldbußen

können nicht nur gegen Privatpersonen, sondern auch gegen Unternehmen verhängt werden.

Durchsuchungen

dürfen grundsätzlich nur mit richterlichem Beschluss oder bei Gefahr im Verzug erfolgen.

§ 163 Abs. 3 StPO

bestimmt, dass Vernehmungen durch Polizeibeamte grundsätzlich freiwillig sind.

Unternehmen als Beteiligte im Strafverfahren

Strafverfahren richten sich im deutschen Recht immer gegen natürliche Personen als einzelne Beschuldigte, nie gegen Personengruppen oder juristische Personen. Dem liegt das sogenannte Schuldprinzip zugrunde: nur wer Schuld auf sich geladen hat, kann auch bestraft werden. Im Fokus strafrechtlicher Ermittlungen steht daher nie das Unternehmen an sich, sondern allenfalls einzelne Entscheidungsträger oder Mitarbeiter. Dennoch können Unternehmen von Strafverfahren direkt betroffen sein, etwa wenn ihnen als sogenannten Einziehungsbeteiligte von Vermögensabschöpfung droht.

In Bußgeldverfahren (auch Ordnungswidrigkeiten-, kurz OWi-Verfahren) – eine Art “Strafverfahren light”, die das deutsche Recht vorsieht – gilt das Schuldprinzip in dieser Form nicht. Betroffene im Sinne des Bußgeldrechts können auch Unternehmen sein. Als Vertreter oder Rechtsberater eines Unternehmens, dass mit staatlichen Ermittlungen konfrontiert ist, sollten Sie daher zuerst klären, welcher Vorwurf (der einer Straftat oder der einer Ordnungswidrigkeit) im Raum steht und wer demnach die “Zielperson” ist. Erst wenn diese Fragen geklärt sind, lässt sich bestimmen, welche Rechte und Pflichten das Unternehmen hat – z.B. ob es im Einzelfall möglich ist, bestimmte Ermittlungsmaßnahmen abzuwehren oder ob es zulässig ist, sich in behördliche Ermittlungen “einzuklinken”.

Durchsuchungen und andere Maßnahmen

Selbst wenn Unternehmen selbst nicht Beteiligte eines Strafverfahrens sind, sind sie gelegentlich von Ermittlungsmaßnahmen betroffen: sei es weil die Justiz Auskünfte anfordert oder weil Mitarbeiter als Zeugen strafbarer Sachverhalte benötigt werden. Gerade Durchsuchungen, die gemäß § 103 StPO auch bei nicht-beschuldigten Dritten durchgeführt werden können, führen in der Regel zu großer Aufregung und Unklarheit darüber, welche Gegenstände herauszugeben sind und wer im Unternehmen als Ansprechpartner der Ermittler zur Entscheidung hierüber befugt ist. Insbesondere Unternehmen, die nicht nur vertraglich zur Verschwiegenheit verpflichtet sind, sondern einem besonderen Geheimnisschutz unterliegen – beispielsweise Unternehmen, die Patientendaten verarbeiten, die der ärztlichen Schweigepflicht unterliegen – sollten sich daher unbedingt mit der Rechtslage vertraut machen, um für den Ernstfall vorbereitet zu sein.

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Verbandssanktionengesetz

Die “Unstrafbarkeit” von Unternehmen ist nicht erst seit den prominenten Wirtschaftsprozessen der letzten Jahre Gegenstand von Diskussionen. Gefordert wird zum Teil ein Unternehmensstrafrecht oder Verbandsstrafrecht, etwa nach US-amerikanischem Vorbild, um Unternehmen nachhaltig von Straftaten abschrecken und im Ernstfall (noch) härter bestrafen zu können. Vorläufiges Ergebnis dieser Debatten ist der Entwurf eines künftigen Verbandssanktionengesetzes (VerSanG) durch das Bundesjustizministerium, welches immer wieder unter Juristen diskutiert wird.

Interne Ermittlungen

Wenn im Unternehmen der Verdacht einer Straftat entsteht oder ein solcher durch Ermittlungen der Justiz bekannt wird, reagieren Unternehmen hierauf immer häufiger mit sogenannten internen Ermittlungen, auch internal investigations. Diese dienen nicht nur der Identifizierung und Sanktionierung krimineller Mitarbeiter und der Imagepflege, sondern auch der Abwehr oder Abmilderung von Sanktionen gegen das Unternehmen. Die Tatsache, dass die Unternehmensführung Straftaten nicht toleriert, sondern Verdachtsfällen nachgeht und Pflichtverletzungen sanktioniert, kann nämlich unter Umständen im Ernstfall verhindern, dass gegen das Unternehmen eine Geldbuße wegen Aufsichtspflichtverletzungen verhängt wird.

Sanktionen und Nebenfolgen

Gegen ein Unternehmen können zwar keine Strafen im Rahmen eines Strafverfahrens, aber durchaus Geldbußen im Rahmen eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens verhängt werden. So eine Verbandsgeldbuße nach § 30 OWiG kommt beispielsweise in Betracht, wenn jemand als Geschäftsführer einer GmbH seine Stellung für die Begehung von Straftaten “für das Unternehmen” genutzt hat, für die dieses selbst nicht strafrechtlich verantwortlich gemacht werden kann. Aber auch Handlungen einfacher Angestellter können, wenn sie durch Aufsichtspflichtverletzungen der Verantwortlichen ermöglicht worden sind, zu einer Geldbuße nach § 130 OWiG führen.

Eine weitere unangenehme Folge eines Strafverfahrens können Maßnahmen der Vermögensabschöpfung gegen das Unternehmen sein.