Mann steht in leerer Lagerhalle - Insolvenzstrafrecht - Liebscher Strafrecht

Insolvenzstrafrecht – Risiko für Geschäftsführer

Ist ein Unternehmen erst einmal in wirtschaftliche Schieflage geraten, sehen sich die Verantwortlichen mit vielen teils widersprüchlichen Verpflichtungen konfrontiert. Zu den Gefahren der Krise gehören auch Straftatbestände.

1.900

Personen werden jährlich in Deutschland wegen Insolvenzverschleppung verurteilt.

19.000

Unternehmen melden jährlich in Deutschland Insolvenz an.

1.600

Personen werden jährlich in Deutschland wegen Bankrott-Straftaten verurteilt.

Insolvenzverschleppung

Geschäftsführer (oder andere Organwalter) und Gesellschafter von juristischen Person sind verpflichtet, im Fall von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung ihres Unternehmens unverzüglich einen Insolvenzantrag zu stellen – tun sie dies nicht, machen sie sich gemäß § 15a InsO strafbar. Durch die Insolvenzantragspflicht sollen die Interessen der Gläubiger geschützt werden, indem Unternehmen, die “pleite” sind, von der weiteren Marktteilnahme abgehalten werden. Wenn das insolvente Unternehmen eine Gesellschaft ist, die eine eigene Rechtspersönlichkeit und ein haftendes Gesellschaftsvermögen hat, haften die für das Unternehmen Handelnden zwar nicht persönlich mit ihrem eigenen Vermögen. Dieses Privileg, dass das wirtschaftliche Risiko vermindert, wird allerdings durch die persönliche Strafbarkeit bei verspäteter oder unvollständiger Antragstellung teuer erkauft.

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Unwissenheit schützt vor Strafe nicht

Auch wenn viele Personen, die Verantwortung in Unternehmen tragen, ihre rechtlichen Pflichten nicht kennen, schützt sie dies nicht vor Strafe. Ein solcher Verbotsirrtum führt gemäß § 17 StGB nicht zur Straflosigkeit, wenn er hätte vermieden werden können – und das Rechtssystem geht davon aus, dass derjenige, der etwa eine Position als Geschäftsführer einnimmt, sich selbständig einen Überblick über seine Rechte und Pflichten verschafft und sich ggf. fachkundiger Hilfe bedient.

Die meisten Insolvenzstraftaten sind Vorsatzdelikte. An den Vorsatz stellen Juristen allerdings deutlich geringere Anforderungen, als Laien häufig denken: so genügt es bereits für die Annahme einer Vorsatztat, dass der Täter sich über die objektiven Umstände der Straftat bewusst war; dass er das Ergebnis seines Handelns auch angestrebt hat ist für die Verwirklichung des Vorsatzes nicht erforderlich. Im Klartext: wer trotz deutlich erkennbarer dauerhafter Zahlungsunfähigkeit als GmbH-Geschäftsführer keinen Insolvenzantrag stellt, kann sich im Strafverfahren nicht darauf berufen, dass er dies in der Hoffnung getan hat, sein Unternehmen noch retten zu können und keinesfalls Gläubiger benachteiligen wollte.

Bankrott

Zu den Straftatbeständen, die neben Gesellschaften z.B. auch Einzelunternehmer treffen können, gehören die Bankrottdelikte ab § 283 StGB. Hier werden vor allen Vermögensverschiebungen zum Nachteil von Gläubigern unter Strafe gestellt und Geschäftspraktiken, die Insolvenzverwaltern, Gläubigern und Gerichtsvollziehern die Übersicht über den Vermögensstand des betroffenen Unternehmens erschweren, wie etwa Verletzungen der Buchführungspflicht (§ 283b StGB). Auch wenn persönlich haftende Teilnehmer am Wirtschaftsleben nicht gezwungen sind, einen Insolvenzantrag zu stellen, sind sie dennoch unter Androhung von Strafe gehalten, ihren rechtlichen und finanziellen Verpflichtungen nachzukommen.

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Besonderheiten des Verfahrens im Insolvenzstrafrecht

Verfahren wegen Insolvenzdelikten werden häufig von Amts wegen eingeleitet, ohne dass es einer Strafanzeige bedarf. Wird beispielsweise die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Gesellschaft mangels Masse abgewiesen und deuten die Befunde im Insolvenzgutachten auf schon länger bestehende Zahlungsunfähigkeit hin, sind die Insolvenzakten zur Prüfung eines Anfangsverdachts der Insolvenzverschleppung der Staatsanwaltschaft vorzulegen. Gerade Geschäftsführer oder Gesellschafter, die lange um ihre Unternehmen gekämpft haben, sind daher leider häufig mit Ermittlungsverfahren konfrontiert.

Da die juristischen Wertungen in Insolvenzstrafverfahren untrennbar mit der wirtschaftlichen Lage des betroffenen Unternehmens verbunden sind, hängt der Ausgang des Verfahrens stark davon ab, welche Feststellungen hierzu getroffen werden. Da die Akten des Insolvenzgerichts bereits von Amts wegen Teil der Strafakten werden, lässt sich die Verteidigungsposition häufig bereits dadurch verbessern, dass z.B. weitere Informationen über Sanierungsbemühungen zugearbeitet wird, um ein ausgewogeneres Bild vom Handeln der Verantwortlichen zu zeichnen. Verteidigung im Insolvenzstrafverfahren ist daher oft aktive Verteidigung auf der Tatsachenebene.

Folgen einer Verurteilung

Neben den Geld- und Freiheitsstrafen, die gegen eine Person wegen eines Insolvenzdelikts verhängt werden können, ist vor allem die sogenannte Geschäftsführersperre als Verurteilungsfolge zu beachten: wer wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung oder wegen Bankrotts verurteilt wurde darf gemäß § 6 GmbHG fünf Jahre lang nicht als Geschäftsführer tätig sein. Strafbares Handeln der Verantwortlichen in Krise und Insolvenz kann daher dazu führen, dass diese für eine Sanierung des Unternehmens nicht mehr zur Verfügung stehen.