Führungszeugnis lesen - Titelbild - Liebscher Strafrecht

Das Führungszeugnis – was wird eingetragen und was nicht?

Als Strafverteidigerin werde ich häufig mit dem Thema Vorstrafen konfrontiert. Einerseits spielt es in laufenden Verfahren vor allem für die Strafzumessung eine erhebliche Rolle, ob und wegen welcher Delikte jemand bereits vorbestraft ist. Andererseits fragen mich meine Mandanten regelmäßig, wie eine drohende Verurteilung registriert werden wird und ob z.B. ihr Arbeitgeber davon erfährt.

Bundeszentralregister - das Flensburg für Straftaten

Alle rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilungen werden im Bundeszentralregister (BZR) erfasst. Dieses wird, wie der Name schon verrät, für ganz Deutschland zentral geführt, und zwar beim Bundesamt für Justiz (BfJ) in Bonn. Dort werden Verurteilungen aller deutschen Strafgerichte vom Ladendiebstahl bis zum Mord in einer Datenbank erfasst, egal ob es sich bei den Verurteilten um deutsche Staatsbürger oder andere handelt. Man könnte also sagen, dass das Bundeszentralregister für Straftaten das ist, was das Flensburger Punkteregister (Fahrerlaunisregister; bis 2014: Verkehrszentralregister) für Verkehrssünden ist: eine zentrale Sünderkartei.

Neben Verurteilungen kann das BZR auch andere Eintragungen enthalten, z.B. einen Fahndungsvermerk, wenn der Betroffene per Haftbefehl gesucht wird. Alle Regelungen rund um BZR, Führungszeugnis und Co. finden sich im Bundeszentralregistergesetz (BZRG).

Auch Geldstrafen sind richtige Strafen

Auch wenn die Aussage, dass Geldstrafen richtige Strafen sind, banal klingt – ich begegne der gegenteiligen Annahme so häufig, dass sie hier unbedingt richtig gestellt werden muss. Das deutsche Strafrecht kennt grundsätzlich zwei Arten von Strafen, nämlich Geldstrafen (§ 40 ff. StGB) und Freiheitsstrafen (§ 38 f StGB). Geldstrafen sind dabei das mildere Mittel und beginnen bereits ab 5 Tagessätzen (also 5 Tages-Nettoeinkommen). Nichtsdestotrotz handelt es sich bei einer Geldstrafe um eine förmliche Verurteilung, die im BZR eingetragen wird. Das ist leider vielen Menschen nicht bewusst, die Geldstrafen deswegen auf die leichte Schulter nehmen („Nein, ich hab doch keine Vorstrafen, ich musste nur paar mal so Bußgelder bezahlen weil bei mir Drogen gefunden wurden…“).

Mann sitzt am Tisch und liest sein Führungszeugnis - Face Palm - Liebscher Strafrecht

Vorbestraft ohne Verhandlung?

Ein anderer weit verbreiteter Irrglaube besteht darin, dass viele Menschen nur eine Verurteilung durch ein Gericht im Rahmen einer Hauptverhandlung als „richtige“ Vorstrafe empfinden. Dabei werden viele „kleinere“ Straftaten, bei denen übersichtliche Sachverhalte mit Geldstrafen geahndet werden, von der Justiz per Strafbefehl abgearbeitet.  Dabei wird dem Betroffenen – wie bei einem Bußgeldbescheid – ein vorgefertigtes Urteil zugestellt, dass er, wenn er geständig und mit der Strafhöhe einverstanden ist, einfach akzeptieren kann, sodass gar keine Gerichtsverhandlung stattfindet. Auch hier gilt aber wieder der Grundsatz, dass auch Geldstrafen im BZR erscheinen. Ich hatte schon Mandanten, die es auf diese Weise auf mehr als 10 Einträge im Bundeszentralregister gebracht haben, sich aber dennoch nicht vorbestraft fühlten. Das haben die Staatsanwälte und Richter, mit denen wir verhandelt haben, dann aber leider anders gesehen…

Zeit heilt (fast) alle Wunden

Ähnlich dem Gedanken der Verjährung sollen Vorstrafen den Verurteilten grundsätzlich nicht ein Leben lang nachhängen, sondern werden nach Ablauf einer gewissen Zeit aus dem Register getilgt. Die Länge dieser Tilgungsfrist hängt in der Regel vom Strafmaß ab – je höher die Strafe, desto länger bleibt sie eingetragen. Gemäß § 46 BZRG beträgt die Tilgungsfrist mindestens 5 und maximal 20 Jahre. Verurteilungen zu lebenslanger Freiheitsstrafe oder Sicherungsverwahrung bleiben lebenslang eingetragen. Die Tilgung erfolgt nach Fristablauf automatisch, d.h. es ist kein Antrag des Betroffenen erforderlich.

Achtung, Laufmasche!

Bei den Tilgungsvorschriften gibt es allerdings einen Haken, den viele Betroffene nicht auf dem Schirm haben:

"Sind im Register mehrere Verurteilungen eingetragen, so ist die Tilgung einer Eintragung erst zulässig, wenn für alle Verurteilungen die Voraussetzungen der Tilgung vorliegen."

Wenn also eine neue Verurteilung ins Register eingetragen wird, bevor die alte gelöscht ist, hält sie diese fest und es stehen so lange alle Strafen im Register, bis bei allen die Frist abgelaufen ist. Kurz: neue Verurteilungen führen dazu, dass alte nicht gelöscht werden. Das führt dazu, dass Personen, die alle paar Jahre eine neue Verurteilung kassieren, ihre alten Vorstrafen nie loswerden und irgendwann ein Jahrzehnte altes Vorstrafenregister haben – auch wenn es immer nur um Kleinkriminalität mit jeweils geringen Strafen geht.

Zeit verrinnt - Sanduhr - Liebscher Strafrecht

Führungszeugnis

In das Bundeszentralregister haben nur Gerichte, Staatsanwaltschaften und höhere Sicherheitsbehörden Einblick. Alle anderen erhalten nur eine beschränkte Auskunft aus dem Register, nämlich ein Führungszeugnis. Jeder Bürger kann sein Führungszeugnis bei seiner Gemeinde gegen einen Gebühr beantragen, um es z.B. dem (zukünftigen) Arbeitgeber oder Ausbildungsbetrieb vorzulegen.

Das Führungszeugnis ist nur eine beschränkte Auskunft, da nicht alle Eintragungen aus dem BZR darin erscheinen, § 32 Abs. 2 BZRG. Auch werden viele Verurteilungen – z.B. Geldstrafen – nicht mehr eingetragen, wenn sie mehr als 3 Jahre zurückliegen, § 34 BZRG. Damit soll verhindert werden, dass vorbestrafte Personen auch Jahre nach ihren Taten im Berufsleben noch benachteiligt werden. Es kommt daher in der Praxis gar nicht so selten vor, dass jemand mehrere Einträge im Bundeszentralregister, aber ein leeres Führungszeugnis hat  – und sich gemäß § 53 BZRG als nicht vorbestraft bezeichnen darf.

Der 90-Tagessätze-Joker

Da Einträge im Führungszeugnis für Betroffene negative Folgen haben können, gewährt der Gesetzgeber allen erstmals verurteilten Kleinkriminellen eine Art „Joker“: wenn man nur eine eintragungsfähige Strafe im Register hat und diese 90 Tagessätze (Geldstrafe) oder 3 Monate (Freiheitsstrafe) nicht überschreitet, wird sie nicht ins Führungszeugnis aufgenommen, § 32 Abs. 2 Nr. 5 BZRG. Es ist also durchaus möglich, einen „frischen“ Eintrag im BZR, aber ein leeres Führungszeugnis zu haben. In diesem Fall darf man sich auch gemäß § 53 BZRG als nicht vorbestraft bezeichnen.

Bundeszentralregister - Führungszeugnis - Grafik - Liebscher Strafrecht
  1. Im Register befindet sich nur eine Verurteilung zu 90 Tagessätzen. Aufgrund von § 32 Abs. 2 Nr. 5 BZRG („90-Tagessätze-Joker“) erscheint sie nicht im Führungszeugnis.

  2. Im Register befinden sich zwei „frische“ Verurteilungen von jeweils max. 90 TS. Beide erscheinen im Führungszeugnis.

  3. Die Verurteilung zu 90 Tagessätzen liegt mehr als drei Jahre zurück und kann daher gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 1 BZRG nicht mehr ins Führungszeugnis eingetragen werden. Da sie aber noch im BZR steht gilt für die „frische“ Verurteilung zu 60 Tagessätzen der „Joker“ des § 32 Abs. 2 Nr. 5 BZRG nicht.

  4. Beide Verurteilungen stehen noch im BZR, sind aber älter als 3 Jahre und werden daher nicht mehr ins Führungszeugnis eingetragen.

Die gezeigten Beispiele zeigen nicht nur, das das Führungszeugnis nur sehr begrenzt Auskunft über die tatsächlich im Register erfassten Vorstrafen gibt. Sondern auch, dass es auf das Timing ankommt: Auch wenn es in einem konkreten Fall keine Chance gibt, eine Verurteilung zu vermeiden, lässt sich unter Umständen durch Beschleunigung oder Verzögerung des Verfahrens ein Eintrag im Führungszeugnis umgehen.

eine weiße Weste haben - Liebscher Strafrecht

Erweitertes Führungszeugnis

Zusammenfassend könnte man sagen, dass das (unbeschränkte) Bundeszentralregister der Information von Strafjustiz und Sicherheitsbehörden dient, während das Führungszeugnis eine (sehr beschränkte) Auskunft für private Zwecke darstellt. Als Mittelweg zwischen beidem wurde das Erweiterte Führungszeugnis eingeführt, das insbesondere im sozialen Bereich von potentiellen Arbeitnehmern gefordert wird, die mit Kinder und Jugendlichen arbeiten möchten. Im Erweiterten Führungszeugnis erscheinen, wie bereits der Name verdeutlicht, auch Einträge, die ins „normale“ Führungszeugnis nicht aufgenommen werden. Gemäß § 32 Abs. 5 BZRG gilt das vor allem für Verurteilungen zu Sexualstraftaten.

Berufliche und private Folgen

Im Bundeszentralregister bzw. Führungszeugnis eingetragene Vorstrafen können vor allem im Berufsleben erhebliche Konsequenzen für Betroffene haben. Über 90 Tagessätzen erfolgt eine Eintragung ins Führungszeugnis und man gilt offiziell als vorbestraft. Ab genau 60 Tagessätzen gehen die Behörden in der Regel davon aus, dass es an der erforderlichen Zuverlässigkeit für einen Jagdschein oder eine Waffenbesitzkarte fehlt. Beamte verlieren bei einer Verurteilung zu eine Freiheitsstrafe von einem Jahr oder mehr ihren Beamtenstatus einschließlich der Pensionsansprüche. 

Eine Sorge kann ich meinen Mandanten in der Regel nehmen: die Eintragung einer Verurteilung in Bundeszentralregister und Führungszeugnis wird in der Regel nicht an Arbeitgeber oder irgendwelche Behörden gemeldet, sodass diese nur von der Vorstrafe erfahren, wenn sie sich z.B. das Führungszeugnis vorlegen lassen. 

Ausnahmen gelten nur für wenige Berufsgruppen wie z.B. Mediziner oder Rechtsanwälte, bei denen i.d.R. bereits bei Anklageerhebung sogenannte Mitteilungen in Strafsachen (MiStra) an die Aufsichtsbehörden oder Berufskammern erfolgen. Angestellte in der Privatwirtschaft haben Informationen an den Arbeitgeber in aller Regel nicht zu befürchten.

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