Das Thema Drogenbestellung im Internet – sei es aus dem Darknet oder aus dem Clearweb – ist zwar nicht neu, stirbt aber auch nicht aus. Als Strafverteidigerin erreichen mich regelmäßig Anfragen von Beschuldigten, die wegen vermeintlicher Online-Käufe von Betäubungsmitteln Vorladungen von der Polizei erhalten. Die meisten sind überrascht und fragen sich, wie die Polizei ihnen auf die Spur gekommen ist. Dabei ist die Antwort so einfach.
Die gute Nachricht ist allerdings, dass die Verteidigungsposition in den meisten Online-Shopping-Fällen deutlich besser ist als in vielen anderen BtM-Verfahren. Jedenfalls wenn es um die Bestellung kleinerer Mengen zum persönlichen Gebrauch geht.
Drogenkauf im Internet kann teuer werden
Der Erwerb von Betäubungsmitteln wie Cannabis (z.B. in Form von Haschisch oder Marihuana), Kokain, Heroin, Amphetamin (Speed) oder Methamphetamin (Crystal Meth) ist bekanntlich eine Straftat, die gemäß § 29 BtMG mit Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren bestraft werden kann. Beim Erwerb von einer oder wenigen Konsumeinheiten (einzelnen Portionen zum Konsum) zum Eigenbedarf erhalten nicht vorbestrafte Täter in der Regel Geldstrafen, und zwar in Höhe von ein oder mehreren Monatsgehältern.
Hinzu kommt ggf. ein Eintrag ins Führungszeugnis, der insbesondere für Menschen in pädagogischen Berufen verheerende Folgen haben kann: gemäß § 25 JArbSchG (Jugendarbeitsschutzgesetz) ist es Einrichtungen verboten, wegen eines BtMG-Verstoßes vorbestrafte Personen in der Kinder- und Jugendarbeit zu beschäftigen. Das hat schon manchen kiffenden Lehrer den Beruf gekostet.
Ein weiterer Aspekt, den Betroffene häufig nicht auf dem Schirm haben, ist die standardmäßige Meldung aller BtMG-Verfahren an die Fahrerlaubnisbehörde (sog. Mitteilung in Strafsachen, MiStra Nr. 45). Wenn man bei der Fahrerlaubnisbehörde noch nicht als BtM-Konsument, Verkehrsrowdy oder dergleichen bekannt ist, ist das kein Grund zur Sorge. Allein die Mitteilung eines Ermittlungsverfahrens wegen einer mutmaßlichen Drogenbestellung führt i.d.R. zu keiner Maßnahme. Wenn man in Sachen MPU und Co. schon vorbelastet ist kann das jedoch schon anders aussehen.
Die Anonymität des Internets
… hat schon Viele dazu verleitet, online Dinge zu tun, die sie sich im richtigen Leben nicht trauen würden. So verwundert es nicht, dass die meisten Mandanten in diesen Fällen gerade keine klischeehaft verpeilten Drogenkonsumenten sind, sondern ganz im Gegenteil in der Regel Menschen, die mitten im Leben stehen und in ihrer Freizeit zu ausgewählten Gelegenheiten qualitativ hochwertige Rauschmittel konsumieren möchten, ohne dafür in Kontakt mit „richtigen“ Kriminellen treten zu müssen. Für diese Menschen ist das Internet die logische Bezugsquelle, zumal man als Käufer – etwas Sachverstand vorausgesetzt – völlig anonym bleiben kann. Am beliebtesten waren daher schon immer Marktplätze im Darkweb wie Silk Road, Dream Market oder Wall Street Market. Aber auch im „normalen“ Web frei zugängliche Shops wie Shiny Flakes oder Candy Love konnten sich nicht über mangelnde Kundschaft beklagen.
Überwachung überall?
Es ist richtig, dass Ermittlungsbehörden immer wieder einschlägige Plattformen infiltrieren und quasi „mitlesen“. Das dient aber eher der Ermittlung der Betreiber und großen Player, also krimineller Strukturen im OK-Bereich (organisierte Kriminalität) sowie der Gefahrenabwehr, also der Verhinderung weiterer Straftaten durch Abschaltung des Marktplatzes. Einzelne User, die kleine Mengen für sich selbst bestellen, sind da allenfalls Beifang. Wenn der Straftatverdacht bei ihnen ankommt – meist als Vorladung oder schriftliche Anhörung als Beschuldigter im Strafverfahren – liegt der große Zugriff auf die Plattform meist schon Jahre zurück.
Ermittlungsansätze im Real Life
Die echte Gefahr für Endkunden beginnt dort, wo die virtuelle Bestellung zu einer Interaktion im real life wird. Letztlich müssen, wie bei jedem Kauf, Geld und Ware ausgetauscht werden. Der Austausch des Geldes lässt sich meist dank Cryptowährungen wie Bitcoin oder Monero gut verschleiern. Wobei ich nicht verschweigen will, dass ich tatsächlich schon Mandanten hatte, die ihre Drogenlieferung per Überweisung vom eigenen Sparkassenkonto bezahlt hatten…
Der kritische Fehler
Spätestens beim Versand hört bei den meisten Drogenkäufern allerdings der kriminelle Sachverstand auf: damit der gute Stoff auch wirklich ankommt geben sie ihre eigene Adresse an.
Als Rechtsanwältin gebe ich meinen Lesern natürlich keine Anleitung, wie Sie online Betäubungsmittel bestellen können ohne erwischt zu werden. Aber so viel kann ich verraten: wer diesen kritischen Fehler vermeidet, hat kaum noch etwas zu befürchten. Jedenfalls nicht, solange er (oder sie) nur vereinzelt und nur bescheidene Mengen bezieht und damit „unter dem Radar“ der Ermittlungsbehörden fliegt. Die Versandadresse führt die Ermittler regelmäßig wie eine große bunte Leuchtreklame direkt vor die Haustür der Besteller und, wenn die Voraussetzungen für einen Durchsuchungsbeschluss vorliegen, auch gern mal dahinter.
Willkommen in der Kundendatenbank
An die Versandadresse, die sehr häufig der einzige Ansatzpunkt für den Straftatverdacht ist, kommen die Ermittler in der Regel auf einem von zwei Wegen: entweder über den Verkäufer oder direkt von der Sendung. Die meisten Onlineverkäufer von Drogen arbeiten letztlich nicht anders als die meisten Wald-und-Wiesen-Händler auf eBay und erfassen ihre Bestellungen in einer Software oder einer simplen Excel-Tabelle – Ordnung muss schließlich sein. Im Fall von Shiny Flakes soll die Auswertung der Excel-Tabelle mit Bestelldaten zu über 6000 Folgeverfahren geführt haben, die von der Justiz in jahrelanger mühevoller Kleinarbeit abgearbeitet werden mussten. Wer unter eigenem Namen und an seine eigene Anschrift Drogen im Netz bestellt, sollte sich also keinerlei Illusionen über seine vermeintliche Anonymität machen.
Sendungen, die nie ankommen
Der andere „klassische“ Weg, der die Ermittler zu den Beschuldigten führt, ist die Beschlagnahme von Einzelsendungen. In den großen Versandzentren der Post- und Paketdienstleister werden regelmäßig Sendungen aus dem Verkehr gezogen, z.B. weil weißes Pulver heraus rieselt, weil der Drogenspürhund der vor Ort tätigen Zollbeamten anschlägt oder weil die Art der Sendung (Verpackung, Absenderadresse, …) bereits aus anderen Fällen bekannt ist. Nachdem ein Ermittlungsrichter die Postbeschlagnahme gemäß § 99 StPO angeordnet hat, dürfen solche Sendungen von den Ermittlern geöffnet werden. Wird darin etwas Verbotenes gefunden ist der Empfänger der naheliegendste Beschuldigte. Dass solche Sendungen wieder verschlossen und ausgeliefert werden, um zu ermitteln, wer sie entgegen nimmt, ist zwar grundsätzlich denkbar. In der Praxis kommt sowas aber sehr selten und nur bei größeren Sendungen vor. Für den Gelegenheitskonsumenten, der eine kleine Menge online bestellt hat, ist ein verloren gegangenes Päckchen also kein gutes Zeichen. Entweder der Verkäufer hat einen betrogen, die Sendung ist tatsächlich auf dem Versandweg verloren gegangen oder sie wurde beschlagnahmt. In solchen Fällen kommt irgendwann Post von der Polizei – auch wenn es Monate dauert.
Die beste Verteidigungsstrategie
… ist, jedenfalls vor gewährter Akteneinsicht, wie immer: schweigen.
Selbst wenn man so unvorsichtig war, online unter eigenem Namen und eigener Adresse zu bestellen, ist eine Verurteilung nicht in jedem Fall unvermeidbar. In vielen Fällen mit diesem Ausgangspunkt konnte ich schon Einstellungen des Ermittlungsverfahrens oder Freisprüche vor Gericht erzielen. Man sollte also nicht gleich den Kopf in den Sand stecken. Wer sich nämlich vorschnell äußert kann den Ermittlern damit Informationen liefern, die den Tatverdacht erst erhärten. Erst nachdem man Akteneinsicht hatte, kennt man die tatsächliche Beweislage und kann sich Gedanken über die sinnvollste Strategie im Einzelfall machen. Auch wenn die Lage auf den ersten Blick hoffnungslos wirkt, kann ein erfahrener Strafverteidiger aus solchen Fällen meist noch etwas rausholen.